Der Ambulante Hospizdienst Neuruppin war 2001 gegründet worden: Annette Oertel ist fast von Anfang an dabei. Foto: Frauke Herweg

„Tod und Sterben sind seltene Themen“

Zuhören und einfach da sein: Annette Oertel und Elisabeth Borries engagieren sich seit Langem als Hospizbegleiterinnen

Ein Beitrag von Frauke Herweg im Prignitz-Kurier der MAZ vom 26. März 2022.

Neuruppin. Manchmal bringt sie einen blühenden Zweig mit. Oder ein Gedicht. Doch noch viel wichtiger ist: Annette Oertel verschenkt Zeit. „Das muss nicht unbedingt lange sein“, sagt sie. „Man muss zuhören und einfach da sein.“

Annette Oertel engagiert sich seit fast 20 Jahren als Hospizbegleiterin. Sie besucht Schwerstkranke und Sterbende zu Hause, im Heim oder im Hospiz. Bei manchen Menschen reicht die Lebenszeit nur noch für wenige Besuche, andere treffen Oertel über Jahre.

„Ich nehme mich ganz zurück“, sagt Oertel. „Alles Private bleibt außen vor.“ Behutsam versucht die ehemalige Rheinsberger Lehrerin herauszufinden, was der Schwerstkranke sich wünscht. Manchmal hilft ein Fotoalbum, um einen Gesprächseinstieg zu finden.

„Wir haben gelernt, keine Fragen zu stellen, sondern die Leute erzählen zu lassen“, sagt Elisabeth Borries. Wie Annette Oertel engagiert sich auch Elisabeth Borries seit Langem in der Hospizbegleitung. Oftmals tue es Menschen gut, von der Kindheit zu erzählen, so ihre Erfahrung. Von den Kriegserfahrungen etwa. „Tod und Sterben sind seltene Themen.“

Doch kommt auch das zur Sprache, was die Schwerstkranken in den letzten Wochen und Monaten bedrückt. Die Sorge um die, die bleiben. Kann der Ehemann, der nie gekocht hat, sich auch selbst versorgen? Kümmert sich jemand um den Hund? Ein Gespräch mit den Hospizbegleiterinnen und Hospizbegleitern kann helfen, die Sorgenlast ein wenig zu mildern.

„Es ist eine Verabredung, dass das, was wir besprechen, unter uns bleibt“, sagt Elisabeth Borries. Die Ehrenamtler des Hospizdienstes unterliegen der Schweigepflicht. Mitunter fällt ein Gespräch mit ihnen leichter als mit nahestehenden Menschen. „Gerade Frauen haben große Angst, andere zu belasten“, sagt Annette Oertel.

Manchmal reicht die Kraft nicht mehr zum Reden. „Dann bin ich vielleicht nur da und berühre die Schulter oder eine Hand“, sagt Oertel. „Das kann für einen Schwerkranken schon viel bedeuten.“

Eine einjährige Ausbildung bereitet die künftigen Hospizbegleiter auf ihre Aufgabe vor. Kommunikationsübungen und Rollenspiele sollen Sicherheit geben. „Man lernt eine ganze Menge“, sagt Elisabeth Borries. Etwa auch, dass gut gemeinte Hilfe bedrängend sein kann.

Mitunter kommt Annette Oertel an ihre Grenzen. Wenn sie etwa weiß, dass Hilfe und Linderung gerade nicht möglich ist. „Dann kann man das nur aushalten und hoffen, dass es am nächsten Tag wieder besser geht“, sagt die 77-Jährige.

Manchmal setzt sich Annette Oertel in solchen Momenten aufs Fahrrad und versucht auf andere Gedanken zu kommen. Doch auch die Gespräche mit den Koordinatorinnen des ambulanten Hospizdienstes und die Supervision, die alle Hospizbegleiter in Anspruch nehmen können, helfen. „Wir haben hier eine tolle Gemeinschaft“, sagt Elisabeth Borries.

Gezweifelt haben Annette Oertel und Elisabeth Borries an ihrem anspruchsvollen Ehrenamt nie. Die Dankbarkeit der Menschen, die sie besuchen, ist groß. „Es ist ein Geben und ein Nehmen“, sagt Annette Oertel. „Ich lerne viel.“ Auch Elisabeth Borries würde die Hospizbegleiterinnen-Ausbildung, die sie vor Jahren absolviert hat, noch einmal machen. „Unbedingt.“

Der Ambulante Hospizdienst Neuruppin bietet voraussichtlich ab August den nächsten Vorbereitungskurs für ehrenamtliche Hospizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter an.
Anmeldungen oder weitere Informationen bis Freitag, 17. Juni, unter 03391/39 49 55 oder per E-Mail unter hospiz@hospa-neuruppin.de.

Weitere Infos auch unter Ehrenamt.